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Mein Umweltartikel
Mein Umweltartikel

Von laufenden Wasserhähnen in den USA

Diana Wiedemann begibt sich in US-amerikanischen Müllbergen auf die Suche nach einer kognitiven Dissonanz

 

Ein ganz normaler Tag einer deutschen Austauschschülerin in den Vereinigten Staaten beginnt. Das all morgendliche „brr brr brr“ der riesigen Klimaanlagen-Container vor allen Wohnheimen trägt mich aus meiner Traumwelt in die bittere Realität einer Welt, in der die Menschen unseren blauen Planeten nach und nach ins Jenseits befördern. Licht brennt in der ganzen Hütte, die ganze Nacht lang schon. Sorry Planet, da ist wohl irgendwer nach mir ins Bett gegangen, ich hatte das Licht eigentlich überall gelöscht. Meine Mitbewohnerin putzt sich gerade die Zähne und entnimmt ihrem „Becherspender“ einen Zahnputzbecher – jeden Morgen und jeden Abend einen Pappbecher, der dann im Müll landet. Sich einfach einen Plastik-Zahnputzbecher zuzulegen, wäre sicherlich wieder „so ein deutsches Ding“. Genauso wie es ziemlich deutsch zu sein scheint, das Geschirr in einem Abwaschbecken voll Wasser zu reinigen, statt dieses erst 45 Minuten (!!!) unter den laufenden Wasserhahn zu halten, um es dann blitze blank in den Geschirrspüler zu stellen. Aber immerhin zeugt dieses Verhalten von einer gewissen Konsequenz: Wer 45 Minuten duschen kann, der kann auch schon mal 45 Minuten lang das Wasser für den Abwasch laufen lassen. Fein ist auch, im Sommer das Auto schon mal anzuwerfen, damit die Klimaanlage den Wagen auf angenehme 20 Grad abgekühlt hat, damit man nicht schwitzt, wenn man die 50 Meter zum Briefkasten fahren muss. Und im Winter, mitten in einem Eissturm, bekommt man die 3 cm dicke Eisschicht natürlich nur von den Scheiben, indem man den Motor schon mal die klassischen 45 Minuten vorher laufen lässt. Planet Erde sagt: „Danke!“

Bevor ich mich auf das Rad zur Uni schwinge, passiere ich unsere Mülltonnen, die schon wieder voll sind bevor ich auch nur die Rücklichter vom Müllwagen sehe. „Mülltrennung“ dürfte im amerikanisch-englischen Vokabular eigentlich nicht zu finden sein. Wie auch? Von Biomüll über Gläser, Batterien, Papier und Plastikabfällen landet alles in einer riesigen Tonne. Warum Müll trennen, wenn der Staat es dann doch wieder zusammenführt?

In der Klasse erhalten wir unsere heutigen Unterrichtsmaterialien: Folien – im Schnitt 2mal pro Woche sechs Seiten für 25 Studenten, natürlich einseitig bedruckt. Die Professorin hält ihre Vorlesung mit ihren PowerPoint-Folien: durchschnittlich 90 Folien einzeln (!)  und einseitig auf ein A4-Blatt bedruckt. Als ich am Ende den Klassenraum verlasse sehe ich noch, wie die 90 Blatt Papier unachtsam in den Müll wandern. „Das gute Druckerpapier“ denke ich und unterdrücke das innere Schreien meines „Öko-Herzens“ mit einem schmerzverzogenen Gesicht. Ja bin ich deswegen ein Öko? Oder sind das nur kulturelle Differenzen? Ist es Erziehung? Ist es der Staat? Ist es in anderen Bundesstaaten anders? Woran liegt es nur, dass Dinge wie Mülltrennung für mich selbstverständlich sind, die in der Großmacht USA noch nicht mal ansatzweise vollzogen werden?

Wieder zurück im Wohnheim, finde ich einen Flyer von unserem Vermieter im Briefkasten. Darauf ist zum einen die Bitte zu finden, den Müll in die dafür vorgesehenen Tonnen zu werfen und dass man doch bitte sicherstellen sollte, keine brennenden Zigaretten hinein zu werfen. Logisch, gefährlich ist das schon – so eine brennende Zigarette zwischen übergroßen Verpackungskartons, chemischen Mitteln, Batterien und Bananenschalen. Und wie übel das riechen kann – nicht auszuhalten so eine Umwelt!  Die andere Bitte richtet sich an uns, 18-30jährige Studenten: ein Hinweis, dass man das Wasser während dem Zähneputzen oder Einseifen doch mal ausdrehen könne. Mal ganz was Neues ausprobieren! Ich denke, das ist doch eine gute Altersgruppe, um mit der „Umwelt-Aufklärung“ zu beginnen. Aber in einem Land wo Wasser und Strom zu (vergleichsweise) Spottpreisen erhältlich sind, muss man mit den Rohstoffen nicht zwangsläufig sparsam umgehen.

Nachdem ich zwei Monate lang Zeuge war, wie unachtsam mit den weltlichen Ressourcen umgegangen wird, fragte ich mich, ob der „gemeine US-Amerikaner“ irgendeinen Gedanken an die Umwelt „verschwendet“ und ich verglich amerikanisches und deutsches (europäisches) Verhalten und fing an, mich mit anderen Austauschschülern aus Europa zu unterhalten. Gleichwohl beobachtete ich mich – was empfand ich, wenn ich z.B. zu viel Wasser laufen ließ oder schon das zweite Mal in dieser Woche länger als üblich duschte? Eine kognitive Dissonanz! Mein Bedürfnis, mich als moralisch, vernünftig und gescheit zu verhalten kollidierte mit dem laufenden Wasserhahn. Ein „Gefühl des Unbehagens, hervorgerufen durch eine begangene Handlung, die dem üblichen (typischerweise positiven) Selbstkonzept zuwiderläuft, wird als kognitive Dissonanz bezeichnet“ (Aronson, 2004). So eine ist bei mir z.B., dass ich doch das Wasser nicht so verschwenden kann, während irgendwo in Afrika Menschen gar kein oder gegebenenfalls nur verseuchtes Wasser haben. Es ist der Wunsch, diesen inneren Konflikt zu beseitigen, der den Menschen dazu treibt, die eigene Meinung zu ändern oder neue Ideen zu entwickeln. Leon Festinger (1957) war der Erste, der sich mit der sozialpsychologischen Theorie der kognitiven Dissonanz beschäftigt hat. So gibt es drei grundlegende Verhaltensweisen, diese „innere Unruhe“ zu reduzieren. Erstens können wir unser Verhalten verändern, um es mit der dissonanten Kognition zu vereinbaren. Ein Raucher („Ich rauche gerne“ versus die Information „Rauchen gefährdet die Gesundheit“) beispielsweise könnte das Rauchen einfach aufgeben. Ein Umweltsünder könnte einfach einen Zahnputzbecher kaufen, statt jeden Morgen einen one-way-Pappbecher in den Mülleimer zu donnern. Als zweites könnte man anfangen sein Verhalten zu rechtfertigen, indem man die dissonante Kognition verändert. Der Raucher spielt die Gefährlichkeit hinsichtlich des Rauchens herunter und „sooo viel Wasser verbraucht man ja nun auch nicht, wenn man mal 45 Minuten den Hahn aufdreht“. Und die Flugbegleiterin meines letzten Inlandsfluges, die jeden Tag von Dallas nach Oklahoma City und zurück zur Arbeit fliegt (!!!), erklärt, dass der Flieger mit oder auch ohne sie abhebe. Die dritte Variante, das bedrohte Selbstbild wieder aufzubauen, entsteht durch den Versuch, das eigene Verhalten zu rechtfertigen, indem man eine neue Kognition hinzufügt. Unser Räuchermann entspanne demnach ja so gut beim Inhalieren Tod bringender Inhaltsstoffe und unser „Wasserläufer“ macht ja immerhin den Abwasch, egal wie – besser noch als keine Teller mehr im Schrank stehen zu haben.

Welche der drei Varianten nutzen denn nun meine nicht-europäischen Mitmenschen als Mittel, Dissonanz zu reduzieren? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wollte ich mir einen Fragebogen erdenken, um meine US-amerikanischen Mitstudierenden und Mitbewohner zu Umweltverhalten und eventuellen kognitiven Dissonanzen zu befragen. Zu Beginn habe ich mich erst einmal nur bei Freunden umgehört um herauszufinden, ob eine Studie denn überhaupt Sinn mache. Das ernüchternde Resultat: keine kognitive Dissonanz! Nicht einer meiner circa 10 Befragten machte sich je auch nur überhaupt einen Gedanken darum, dass Wasser keine unerschöpfliche Ressource sei oder dass es die Umwelt verschmutzen könnte, wenn man in den Drive-in zum Nachbarhaus mit dem Auto fährt, statt einfach mit den Füssen von dem einen in den nächsten Eingang zu fallen. Pure Gleichgültigkeit, Ahnungslosigkeit und Unwissenheit ist das Einzige, was ich herausfinden konnte. Die einzige Hoffnung, die mir bleibt, ist, dass ich durch die neu hinzu gekommene Information des sinnlosen Wasserverbrauchs in Zukunft zu einem inneren Konflikt meiner Mitmenschen führe.

Ich sage nicht, dass alle Europäer oder Deutsche sich viel umweltschonender verhalten, ganz sicher nicht, ich prangere nur an, dass in den Vereinigten Staaten bald was passieren muss – und zwar zu allererst in den Gehirnen. Erwähnt werden muss aber auch, dass die 82 Millionen Deutschen im Jahr 2001 1,3% der Weltbevölkerung (6,3 Mrd.) darstellten, aber auch 3,3% der globalen Emission an Kohlendioxid erzeugten (Quelle: Elmar Uherek, MPI for Chemistry). China verbrauchte im Jahre 2004 insgesamt 13,6 Prozent der Energie weltweit und war damit zweitgrößter Konsument hinter den USA (22,8 Prozent). Deutschland verbrauchte 3,2 Prozent der weltweiten Energie (Quelle: Die Welt). Nach den USA, dem Weltmeister im Energieverbrauch, liegen die Deutschen damit in der Spitzengruppe. „Es gibt wenige große Länder von ähnlicher Wirtschaftskraft (USA, Japan, Großbritannien), die so hohe Emissionen haben wie wir und gleichzeitig die Möglichkeit, sich so stark für eine Reduzierung der Treibhausgase einzusetzen. Wir könnten Erfahrungen machen und in Know-how investieren.“, so Elmar Uherek. Aber während die US-Delegationen Verpflichtungen zur Reduzierung der Treibhausgase auf den letzten Klimakonferenzen stets ablehnten, stimmte der Rest der Welt mehrheitlich zu. Wenn in der „Oberliga“ schon schmutzig gespielt wird, wie soll man da auch verlangen, dass die „Kreisklasse“ den grünen Daumen zeigt? Wohlwollender Umweltschutz sollte Aufgabe des Staates oder eine Frage der Erziehung und Aufklärung sein. Umweltschutz in den USA würde aber auch bedeuten, ein großes Stück Lebensqualität des Landes des unbegrenzten Mülls … äh  ... Möglichkeiten einzuschränken und wie soll man die vielen Millionen Einwohner dazu bringen, wenn denen oftmals nicht klar ist wozu? Meine Person wird sicher auch in Zukunft belächelt werden, wenn ich Abwaschwasser einlasse oder die Kassiererin im Einkaufsmarkt bitte, meine fünf Kaufgegenstände auf nur eine statt fünf Plastiktüten zu verteilen. Und man darf gespannt sein, wie viele Waldbrände und Katrinas es noch bedarf, damit etwas passiert. Die künftige Umweltpolitik des Landes wird hauptsächlich vom zukünftigen US-Präsidenten bestimmt. Es bleibt zu hoffen, dass dieser ein wachsameres Auge für sauren Regen statt Nuklear-Regen hat und dass die lobenden und positiven Ausnahmen einzelner, umweltbewusster US-Amerikaner auf das ganze Land verbreiten.

 Ein ganz normaler Tag einer deutschen Austauschschülerin in den Vereinigten Staaten endet. Vielleicht raffe ich mich auf, einen letzten „Licht-Kontrollgang“ durch die WG zu machen, vielleicht auch nicht – Gleichgültigkeit hat zugegebener Maßen einen ansteckenden Effekt. Mein Einschlafen wird mit Sicherheit begleitet vom Grummeln des Wäschetrockners, der läuft und läuft und läuft … in 90 Millionen Haushalten der USA.

 

 


Abschied von meinen Lieben
"Jeder Abschied bedeutet, Altes hinter sich zu lassen, Freunde zu verlassen, mit lieb gewordenen Gewohnheiten zu brechen, Traurigkeit, manchmal sogar Schmerz, aber immer auch die Freude auf Neues, Abenteuer, neue Freunde und den n�chsten Schritt vorw�rts auf dem Weg des Lebens."
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